Idee 3: Überwachungskameras

Man kann nicht sagen, dass es im deutschen Schulsystem generell an Kontrolle mangelt. Jede popelige Stegreifaufgabe wird doppelt korrigiert und dreifach respiziert. Es muss ja sichergestellt sein, dass sie den Vorschriften entsprechend konzipiert, geschrieben und bewertet wurde. Dann wird sie sicherheitshalber noch Dekaden aufbewahrt, falls damit doch noch irgendwann etwas sein sollte. Im Klassenbuch muss minutiös jeder Unterrichtsinhalt, jeder fehlende Schüler, jede Hausaufgabe und überhaupt jede Besonderheit festgehalten werden. Und wehe ein Schüler kommt mal 8 Minuten ohne notariell beglaubigte Entschuldigung zu spät. Gut, ich übertreibe vielleicht. Aber nur leicht.

Eine Sache gibt es aber bei uns (noch) selten, die an finnischen Schulen selbstverständlich sind: Überwachungskameras. Viele. Die Schulgelände sind voll davon. Grob geschätzt finden sich so 10 Kameras pro 100 Schüler, an meiner ersten Schule hat mir der Schulleiter voller Stolz erklärt, dass sie jetzt über 50 Kameras installiert hätten. Pausenhof, Eingänge, Mensa, Aula, alle Korridore. Außerhalb der Klassenzimmer, Umkleidekabinen und Toiletten findet man kaum einen Ort der nicht gefilmt wird. Und das geschieht rund um die Uhr. Auch während der Unterrichtszeit. Wer als Lehrer neu an eine Schule kommt, bekommt die wenigen dunklen Ecken gezeigt, die die Kameras nicht einfangen können, damit diese verstärkt händisch überwacht werden können. Die Schüler wissen das natürlich. Die kennen die Black Spots. Die kennen auch die Tricks, wie man so ein Ding auch mal kurz außer Kraft setzt oder ihr Blickfeld so umleitet, wie man es gerade braucht.

Und wofür das Alles? Im Wesentlichen dient es der Sicherheit. Unbefugte auf dem Gelände haben es schwer und in Notsituationen kann es helfen, richtige Entscheidungen zu treffen. Welchen der Sicherheitsräume/Bunker suchen wir auf, wenn der Amokläufer eintrifft? Wo breitet sich ein Brand aus? Auf der banaleren Ebene lässt sich so auch die ein oder andere Sachbeschädigung oder ein Diebstahl aufklären. Drogenhandel oder unerlaubtes Rauchen müssen die Schüler auf Räume außerhalb des Schulgeländes verlegen.

Und die Nachteile? Aus Lehrerperspektive ändert sich nicht viel. Im öffentlichen Raum ist man mittlerweile daran gewöhnt, dass Überwachung stattfindet. Die Verfolgung von durch Lehrpersonal begangenen Straftaten im Schulhaus hält sich hoffentlich in Grenzen. Der Unterricht selbst bleibt ja unbeeinträchtigt. Komplizierter wird es was die Schüler angeht. Eindeutig reduziert sich das Ausmaß von Vandalismus, verhindert ihn aber auch nicht vollständig. Andere Auswirkungen auf Verhalten, Psyche und Entwicklung der Kinder und Jugendlichen sind schlecht messbar. Wirkt es wie ein Vertrauensentzug, der selbstständiges und verantwortungsvolles Handeln behindert. Oder ist es ein sanfter Druck, der genau dieses Verhalten unterstützt? Ist es eine als unangenehm empfundene Gängelung und Einschränkung der Freiheit, die manche dazu bringt, sich anders zu verhalten als es ihrer Persönlichkeit entspricht. Oder schafft es eine Komfortzone, in der die Schüler wissen, dass sie sicher sind und sie eher bestärkt? Beeinflusst es die psychische Entwicklung? Wie? Anekdotisches Eindrücke und Intuition sagen, dass die Dauerüberwachung irgendwie nicht ideal ist, aber das ist völlig subjektiv, wissen kann ich das nicht. Studien sind mir nicht bekannt, aber die Risiken stehen zumindest im Raum.

Fazit: Während der Unterrichtszeit an Grundschulen und den meisten weiterführenden Schulen nicht nötig. Abgesehen vom (außerunterrichtlichen) Einsatz an der ein oder andere Berufs-, Großstadt- oder Brennpunktschule mit Kriminalitätsproblemen kann sich diese Entwicklung in Deutschland gerne noch etwas Zeit lassen.

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